Ob die gegenwärtigen Herausforderungen zwischen Flüchtlings-, Währungs- und Umweltpolitik wirklich so außergewöhnlich sind, wie Manche es gerne darstellen, sei dahingestellt. Anspruchsvoll sind sie allemal – und lassen kaum jemanden wirklich kalt. Und dann gibt es ja auch noch die üblichen betrieblichen wie auch ganz persönlichen Themen, die ihren Tribut fordern.
Sich angesichts vielseitiger und komplexer Herausforderungen sinnvoll zu fokussieren statt in allgemeine Aufgeregtheit zu entgleiten, bedarf einer gehörigen Portion Selbstkompetenz. Selbstreflexion – Eine Fähigkeit, die nur schadet, wo sie fehlt.
Mentale Alarmsignale, aufwallende Emotionen oder Aktivismus – auf welchen Kanälen sich diese Zustände erhöhter Aufmerksamkeit konkret äußern ist Stilsache. Klar im Vorteil ist jedoch, wer ein gutes Gespür für die eigenen Energien entwickelt und mit seinen Reaktionsmustern einigermaßen vertraut ist.
Insofern ist jede „Krise eine Chance“ – aber eben auch eine Herausforderung, bei der man in die eine oder andere Falle tappen kann.
1. Verschlafen – Herausforderungen nicht (rechtzeitig) erkennen
Die Tage sind zum Bersten angefüllt. Deadlines, Meetings, Netzwerkkontakte. Üppige Geschäftigkeit lässt sich durchaus als Umtriebigkeit, Geschick und Fleiß darstellen. Gleichzeitig ist sie eine der größten Fallen auf dem Weg zu sich selbst.
Wer Alarmsignale rechtzeitig erkennt und darauf angemessen reagiert, erspart sich das „Ich hätte es wissen müssen“ derjenigen, die erst im Nachhinein schlauer sind.
2. Taubheit – Herausforderungen leugnen
Ja, es gibt Zeiten und Situationen, in denen man eine „heiße Kartoffel“ tunlichst nicht in die Hand nimmt. Es ist nicht immer klug, „schlafende Hunde zu wecken“ und wer hätte nicht schon am eigenen Leib erfahren: „Never touch a running system“.
Wer es sich jedoch zur Gewohnheit macht, sich auch lästigen Herausforderungen frühzeitig zu stellen, erspart sich unnötige und nicht selten dramatische Eskalationen.
3. Ohnmacht – Die süße Opferrolle
Das Thema drängt mit einiger Macht auf die Agenda und lässt sich nicht mehr leugnen – aber wie um Himmels Willen sollen Sie bloß damit umgehen? Gerade jetzt und unter diesen Umständen? – Why allways me?
Wer sich auch von großen Herausforderungen nicht entmutigen lässt, wächst mit der Aufgabe: Es gibt nichts Gutes außer man tut es.
4. Ablenkung – Scheingefechte auf Nebenschauplätzen
Dass es so nicht weitergehen kann, liegt inzwischen auf der Hand. Es liegt was in der Luft – Motivation und Stimmung sind im Keller. Auf welchem Nebenschauplatz inszenieren Sie in solchen Situationen gerne Ihre Scheingefechte?
Wer der Einladung zu erschöpfendem Engagement an Nebenfronten widersteht, spart Kraft und Energie für die konstruktive Arbeit an den wirklich wichtigen Themen.
5. Überheblichkeit – Es soll keiner sagen, man hätte nicht gewarnt
„Gefahr erkannt, Gefahr gebannt“ – so lautete vor Zeiten der Slogan einer Kindersendung für Verkehrssicherheit. Doch sind die Herausforderungen des Erwachsenenlebens meist größer als gefahrlos die Straße zu überqueren …
Wer aus seinen Worten Taten werden lässt statt mit erhobenem Zeigefinger, aber untätig auf mögliche Gefahren hinzuweisen, wird Teil der Lösung und bleibt im Spiel.
6. Unbelehrbarkeit – Wer einen Hammer hat, für den ist alles ein Nagel
Erfahrung ist unbezahlbar – jedoch nur, wenn man daraus lernt. Das Problem mit vorschnellen Lösungen ist häufig, dass sie einer Geisteshaltung entstammen, die überhaupt erst zum Problem geführt hat.
Wer die Wahl von Mitteln und Wegen regelmäßig kritisch überprüft und gute Lösungen durch bessere ersetzt, erspart sich mühselige Umwege und Wiederholungen.
7. Arroganz – Sich selbst zu wichtig nehmen
Sie haben also einen brillanten Lauf zwischen beruflichen und privaten Herausforderungen hingelegt, sich dabei niemals ernsthaft verletzt – jedenfalls nicht so sehr, dass Sie nicht mehr aufzustehen imstande waren? Gratulation!
Wer sich dennoch den Respekt vor den Unwägbarkeiten des Lebens erhält, bleibt gerüstet für heftigere Stürme, die mitunter wie aus dem Nichts auftauchen.
Die hohe Kunst der Selbstreflexion
Die moderne Psychologie lässt uns wissen, dass ein erschreckend hoher Anteil unserer Handlungen weitgehend automatisierte Wiederholungen eingeübter Verhaltensmuster seien. So weit her sei es gar nicht mit unserer hoch geschätzten Selbstbestimmtheit.[nbsp]
Eine umso lohnenswertere, wenn auch nicht ganz triviale Herausforderung ist es, diesen Automatismen ein wenig auf den Zahn zu fühlen und sie dort, wo sie sich einfach als unangemessen erweisen, durch bessere Alternativen zu ersetzen.
Den eigenen Mustern auf die Schliche kommen – aber wie?
Dass man sie nicht so leicht erkennt, das haben blinde Flecken so an sich. Doch gibt es eine Reihe bewährter Ansätze, die weit mehr zu bieten haben als selbstverliebte Selfie-Nabelschau:
Unterschiedliche Impulse und Übungen zur eigenständigen Selbstreflexion, die obligatorische Selbstcoaching-App, ein begleitetes Coaching face-to-face, per Skype oder Telefon, umfassendere und längerfristige Angebote zur Selbsterfahrung bis hin zur Therapie.
Das Angebot ist vielfältig und die anbietenden Branchen bieten eine respektable Bandbreite an Erfahrungen und Expertise.
Selbstreflexion – Ein Ansatz mit Potenzial!
Vor Kurzem fand an der ETH Zürich eine höchst spannende Tagung über Leadership in Extremsituationen statt. Praxiserprobte Führungspersönlichkeiten aus Wirtschaft, Medizin, Wissenschaft, Militär und Politik berichteten über ihre Erfahrungen im Umgang mit eskalierenden Krisen und Katastrophen.
Das Resumée des Veranstalters: In diesem Bereich der Selbstreflexion liegt noch enormes Potenzial!
Allein: Den Willen, sich in die eigenen Tiefen vorzuwagen – den müssen wagemutige Seelen immer noch selbst aufbringen. Und das ist auch gut so.
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