Der bekannte deutsche Mathematiker Carl Friedrich Gauß ist längst verstorben. Aber zumindest eine seiner Erkenntnisse hat bis in die heutige Zeit überdauert: Das Wissen um die nach ihm benannte „Gauß’sche Normalverteilungs- oder Glockenkurve“.
Dahinter steckt ein im Grunde einfaches Prinzip.
Zielen Sie auf ein beliebiges Ziel – und Sie werden über kurz oder lang zu einer „Normalverteilung“ um diesen zentralen Zielpunkt kommen: Einiges wird links vorbei gehen, Einiges rechts – bei einer ausreichenden Anzahl an Versuchen wird sich eine Häufung direkt im Zielpunkt ergeben.
Begeisterung empfinden wir, wenn’s klappt … aber das Danebenhauen ist Teil des Spiels.
Seien Sie überdurchschnittlich!
Nun liegt es in der Natur des homo oeconomicus, dass er oder sie sich Ziele setzt. Wir wollen besser werden – unsere Erwartungen immer genauer treffen, vielleicht sogar übertreffen: Das Leben mit beiden Händen anpacken, es bis an und über seine Grenzen hinaus auskosten.
Das ist gut so. Oder? Was sonst hätte einen Christoph Kolumbus nach Westen, einen Marco Polo nach Osten oder einen Neil Armstrong bis auf den Mond getrieben.
Wir wollen leisten! Wir wollen diesen Kick der Zielerreichung. Allein: Es gibt Betrachtungsweisen, die uns immer zu Verlierern werden lassen.
In Schulklassen, in denen das Leistungsniveau der Lernenden zwischen „sehr gut“ und „nicht genügend“ aufgeteilt wird – und individuelle Entwicklungswege kaum berücksichtigt werden.
In Banken und Industriebetrieben mit aggressiven Erfolgsprämien – wo höchste Risiken und offensichtlich auch manifester Betrug zu den üppigsten Prämien führen.
Im Leistungssport – wo Hundertstel Sekunden zählen, allzu oft ohne Rücksicht auf Verluste.
Wir bleiben auf der steten Suche nach unserem kleinen Quäntchen Glück … aber Gewinnen geht nicht ohne Verlieren.
Da ist noch mehr drin!
Ambitionierte Persönlichkeiten aus Gegenwart und Geschichte haben sich durch herausragende Eigenschaften einen Namen gemacht: Einen atemberaubenden Glauben an das Unmögliche – verbunden mit einem Einsatz weit über jede Grenze der Vernunft und des Denkbaren hinaus. So will es zumindest die Überlieferung. Wahre Helden eben – meist männlich. Als Gott sie schuf, wollte er angeben.
Stellt sich die Frage, wie viele Persönlichkeiten über dieselben Eigenschaften verfügten – und keine neuen Welten erobert und bahnbrechenden Errungenschaften erwirkt haben, sondern unter dem Druck ihres Ehrgeizes kläglich gescheitert sind.
Stellt sich die Frage, wie viele Persönlichkeiten bahnbrechende Errungenschaften erwirkt und neue Welten erobert haben, ohne dem Klischee des erfolgshungrigen Helden zu entsprechen.
Eine spannende, datenbasierte Analyse erfolgsrelevanter Persönlichkeitsmerkmale bietet der inzwischen wohl als Klassiker zu bezeichnende „Weg zu den Besten“ von Jim Collins. Testosterongetränkte Heldenattitüden sind unter seinen sieben Management-Prinzipien für dauerhaften Unternehmenserfolg kaum zu finden.
Begeisterung ist ein Nebeneffekt, scheint mit bloßer Kraftanstrengung nicht zu korrelieren.
Sie haben besseres verdient!
Natürlich schmeichelt es, sich selbst zur Gruppe der Überdurchschnittlichen zu zählen. Und daraus ein unverrückbares Recht abzuleiten. Wir gehören zu den Erfolgreichen. Zu den Intelligenten. Zu den Guten. Zu denen, die begeistert „ihr Ding“ durchziehen – weil wir es uns wert sind.
Das weniger appetitliche Gesicht dieser Begeisterung erschließt sich, wenn wir uns diese Erlesenen und Erwählten von außen ansehen: Herrenrassen. Neureiche. Frischbekehrte.
Wenn wir selbstzufrieden über religiöse Fanatiker urteilen, allzu durchschaubare Netzwerke als „Packelei“ brandmarken oder die letztlich zum Scheitern verdammte Mechanik wirtschaftlicher Pyramidenspiele belächeln.
Wenn wir die Augen verdrehen ob der entrückten Sprache und Bilder von Menschen, die sich unbeholfen an ihre seelischen Gründe heranwagen.
Dabei ist unzweifelhaft festzustellen: All diese Menschen sind tatsächlich … begeistert!
Begeistert von einer Zugehörigkeit zu dieser oder jener kulturellen oder religiösen Gruppierung – ohne zu bedenken, dass das Leben in einem anderen Umfeld möglicherweise ganz andere Erfordernisse und Erkenntnisse mit sich bringt.
Begeistert von schnellen und scheinbar mühelosen Gewinnen – ohne zu bedenken, wann und wem das jeweilige Pokerspiel unweigerlich auf den Kopf fallen wird.
Begeistert von einer Zugehörigkeit zu einer alteingesessenen Bevölkerungsschicht – ohne zu bedenken, dass es wenig Mut erfordert, sich in den eigenen vier Wänden einzugraben.
Begeisterung – das kleine Quäntchen Glück
„Jede Organisation und jedes Unternehmen braucht eine Kultur, die auf den gemeinsamen Werten und einer gemeinsamen Strategie, inklusive Zielen und Visionen, basiert“ – bringt es mein Berufskollege, Business-Coach Michl Schwind auf den Punkt.
Wir Trainer und Coaches zielen in unseren Workshops und Seminaren darauf ab, Organisationen und Menschen (wieder) einen Zugang zur eigenen Begeisterungsfähigkeit zu verschaffen. Indem wir günstige Rahmenbedingungen und Räume schaffen, in denen eine persönliche und organisationale Kultur von Fruchtbarkeit und Ergebnisorientierung geschaffen wird.
Damit eine so verstandene Erfolgskultur wirksam und lebendig bleibt, bedarf es in der Folge einer unaufgeregten, aber ständigen Pflege im ganz normalen Arbeitsalltag – auch wenn dadurch aus einem Haflinger kein Rennpferd werden und der eine oder andere Wurf – frei nach Gauß – zwangsläufig sein Ziel verfehlen wird.
Aus einem kleinen Quäntchen Glück ein großes machen zu wollen und dabei mit der menschlichen Empfänglichkeit für hormonelle Höhenflüge zu zocken: Das jedoch ist ein Spiel mit dem Feuer.
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