Gestern war ich beim Friseur. Ich ließ mir die Haare färben. Knallrot – schließlich ist Fasching. Heinz – der Friseur – nennt sich jetzt Haarcoach. Meinetwegen. Immer noch besser als Darmcoach. Ja, wirklich – das gibt’s. Ist ja irgendwie originell, aber … Himmelherrgott!!! Wer soll sich denn da noch auskennen?
Natürlich ist der Begriff „Coach“ rechtlich geschützt – zumindest in Österreich. Immerhin sind wir hierzulande gerade dabei, die Wirtschaft zu entfesseln.
Coach darf sich österreichisch „eigentlich“ nur nennen, wer über ein aufrechtes Gewerbe der Unternehmensberatung oder der Lebens- und Sozialberatung (LSB) verfügt. Der Unternehmensberater darf nur berufliche Themen bearbeiten. Der Lebensberater nur private. Und beide sind mit hohen Eintrittshürden geschützt.
Vor wem eigentlich? Vor denen, die diesen Beruf ausüben wollen. Ein Schelm, wer dabei an den Ständestaat denkt.
Aber lassen wir das. In der Praxis ist das eh von geringer Relevanz. Der Kunde wählt Gott sei Dank immer noch nach eigenem Gutdünken. Lästig wird’s nur, wenn die Heerscharen unterbeschäftigter arbeitsmarktpolitisch relevanter Randgruppen wieder einmal einen Hexensabbat veranstalten. „Unternehmensberater wagt es, in einem Führungstraining nach der persönlichen Erfahrung von Autorität zu fragen!“ Da überschreitet er/sie/es selbstverständlich Kompetenzen und hätte korrekter Weise sofort einen Kinderpsychologen beiziehen müssen – am besten über 40 und langzeitarbeitslos. Weiblich könnte zur Not auch nicht schaden.
Ich jedenfalls hab mich heute morgen gleich an die Studienberatungsstelle gewendet. Man kann ja nie wissen.
„Was wollen’s denn amal werden?“ hat mich die freundliche Studienberaterin gefragt. Darauf ich: „Psychologe“. Und sie: „Hm.“ Und ich: „Wieso ‚Hm.‘?“ Und sie: „Da haben wir doch schon so viele. Und die Jobchancen.“ – kopfschüttelnd – „Ganz schlecht.“
Und ich – leicht erregt. Vom Thema natürlich: „Ja, aber das würde meine bisherige Qualifikation bestens ergänzen!“ Und sie – mit durchdringendem Blick: „Was können Sie denn bisher nachweisen?“
Und ich – auswendig glernt: „Matura im Vorzeigegymnasium des Landes, Studium der Politikwissenschaft und Fächerbündel mit Auszeichnung in Innsbruck und Graz, mehrmonatiger Auslandsaufenthalt, über 20 Jahre Berufspraxis im Sozialbereich und in der Privatwirtschaft, laufende Weiterbildung, diverse Uni-Lehrgänge, Zusatzausbildungen und Selbsterfahrung bis zum er..bleichen. Berechtigt zur Ausübung des Gewerbes der Unternehmensberatung einschließlich der Unternehmensorganisation gemäß § 94 Z74 GewO 1994 an Standorten in Vorarlberg und Wien und berechtigt zur Ausübung des Gewerbes der Lebens- und Sozialberatung unter Ausschluss der Ernährungberatung und unter Ausschluss der sportwissenschaftlichen Beratung – ebenfalls an den Standorten in Vorarlberg und Wien und akkreditierter Wirtschaftstrainer seit 2006 und akkreditierter Wirtschaftscoach seit 2012 und Certified Business Coach seit 2013 und …“
Sie unterbricht mich – entnervt: „Aber Herr Magister! Weshalb wollen’s denn NOCH ein Studium anfangen!? Sie haben ja eh schon fast alles gmacht, was man in dem Bereich überhaupt machen kann!“
Und ich – perplex: „Ja, aber … .“ Ich brauch echt einen Moment um mich zu fassen. „Aber … Kennen’s das neue Psychologengesetz?“
Und sie – beschwichtigend: „Jo mei, des wird mit Sicherheit net so heiß gegessen wie gekocht. Da brauchen’s sich doch wirklich keine Sorgen machen. Bei Ihren Qualifikationen!“ … und dann, ich trau meinen Ohren kaum: „Wissen’s was Ihnen gut tät: Sie bräuchten so ein Selbstbewusstseins-Coaching – ich sag’s Ihnen! Meine Freundin hat grad ihre Coaching-Ausbildung abgeschlossen. Ganze 3 Monate hat sie intensiv gelernt! Ich kann Ihnen sagen, das wär genau die Richtige für sie: Die würd Ihnen wirklich weiterhelfen – und kostet auch fast nix.“ Und dann: „Wissen’s eh. Sie hat halt grad frisch angfangen und würd sich schon auch über Kundschaft freuen …“
„Ich muss mir das echt überlegen“ hab ich dann gsagt. Es sei wegen dem Geld hab ich gsagt. Und gedacht hab ich an das schöne Wort von der Entfesselung der Wirtschaft.
Und jetzt sitz ich hier in meinem Lieblingscafe mit rot gecoachten Haaren vor einem Faschingskrapfen. Und überleg, ob ich Psychologie studieren oder mich in Selbstbewusstsein coachen lassen soll.
😉