Exzellenz und Mittelmaß

Sich verändernde Lebensumstände und Wertvorstellungen. Neue Möglichkeiten, Geschäftsmodelle, Vertriebswege. Wie ein Feuerwerk zünden sie, bahnen sich ihre Wege mit steigender Geschwindigkeit und entfalten – wo sie gelingen – ihre bunten Muster im Sprühregen des Erfolgs. Exzellenz entsteht.

Die eine oder andere vermeintlich zündende Idee startet eher müde durch – langsam, kraftlos und fahl. Und manchmal geht der Schuss nach hinten los.

Doch wer sich nicht bewegt, nimmt sich aus dem Spiel. Wer sich erst spät und unter Druck bewegt, hat Mühe, seine Richtung zu finden. Wer nicht mithalten kann oder will, verbleibt im Mittelmaß – und fällt in Folge immer weiter zurück.

Stachanow – Held der Arbeit

In den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts gelangte der Russe Alexei Grigorjewitsch Stachanow zu einiger Berühmtheit, als er in einer Kohlegrube im Donezbecken in einer einzigen Schicht 102 Tonnen Kohle gefördert haben soll. Gewerkschaft und Parteiführung feierten ihn als Vorzeigearbeiter und steigerten damit die Arbeitsproduktivität der damaligen Sowjetunion. „Viel“ war das Maß aller Dinge.

Wer da nicht mithalten konnte oder wollte, verblieb im Mittelmaß – und fiel in Folge immer weiter zurück.

Widerstände regten sich. Der einstige „Held der Arbeit“ bekam den schalen Beigeschmack eines reinen Antreibers zur Steigerung der Arbeitsleistung und verschwand – alkoholkrank und depressiv – von der Bildfläche.

Von der Quantität zur Qualität zur Exzellenz

Das Mengenproblem ist in Zeiten gesättigter Märkte weitgehend gelöst und die reine Definition über die Quantität hat längst keinen unangefochtenen Stellenwert mehr. Weder in Bezug auf das Sonntagsschnitzel noch auf den Output einer betrieblichen Produktion.

Qualität hat Vorrang. Natürlich nicht „statt“ Quantität – die Menge muss schon auch irgendwie stimmen …

Unter dem englischsprachigen Begriff „operational excellence“ wird gemeinhin ein umfassendes betriebliches Optimierungsprogramm verstanden. Alles soll möglichst perfekt laufen: effizient, auf Kundenwünsche abgestimmt und in hoher Qualität. Nur das Beste ist gut genug.

Wer da nicht mithalten kann oder will, verbleibt im Mittelmaß – und fällt in Folge immer weiter zurück.

Widerstände regen sich. Der begeisternde Ansatz, nicht nur gute Dinge, sondern die Dinge auch wirklich gut zu machen, bekommt den Beigeschmack eines reinen Antreibers zur Steigerung der Arbeitsleistung …

Exzellenz

Dem deutschsprachigen Begriff der Exzellenz wird eine noch etwas umfassendere Bedeutung zugesprochen. Eben nicht nur „gut“ oder „perfekt“. Es geht um das … „bestimmte Etwas“. Gut wird stillschweigend vorausgesetzt, perfekt gar nicht mehr wirklich angestrebt.

Einzigartig muss es sein. Individuell. Von besonderem, stimmigem Wert. Eine Form von unerwartetem Zusatznutzen bieten.
Exzellent eben. Überraschend.

Altbekannte Prinzipien treten wieder in Erscheinung – praxiserprobt, bewährt, wirksam.

  • Sich auf das Wesentliche fokussieren.
  • Das Pareto-Prinzip: 80% des Ergebnisses mit 20% des Einsatzes
  • Die Gauß’sche Normalverteilungskurve, die neben einem „zu wenig“ auch ein „zu viel“ kennt. Man kann alles übertreiben.
  • Der Ruf nach „robusten“ Unternehmen. Flexibel und „fit in change“.
  • Betrachte den Betrachter – der unmittelbare Blick auf die handelnden Personen.
  • Das radikal subjektive Empfinden. Spontanität, Vielfalt und Möglichkeiten.

Exzellenz und Perfektion

So verstanden, lässt Exzellenz Luft zum Atmen. Erzeugt nicht Druck, sondern kokettiert leidenschaftlich mit einer erstrebenswerten Zukunft, die unmittelbar vor der Nase liegt. Hier und jetzt. Gestaltbar. Verfügbar.

Ein verführerischer Ausblick, oder? 😉

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Hinweis: Mit Stand Oktober 2023 haben insgesamt 162 Unternehmen und Teams aus Österreich und den benachbarten deutschsprachigen Regionen an unserer Exzellenzinitiative teilgenommen:

  • Aktivierende Mitarbeiterbefragung
  • Handlungsfokussierter Ergebnisbericht
  • Fokussiertes Umsetzungscoaching

Auch Unternehmen und Teams aus anderen Regionen bieten wir einen treffsicheren Service – nehmen Sie gerne hier Kontakt mit uns auf.

 

Wandel wagen - Wegweiser

Wandel wagen – wann, wenn nicht jetzt!

Der Gedanke ist der Vater aller Dinge – Urknall eines jeden neuen Universums. Was wäre, wenn … wenn wir mit unseren Gedanken völlig neue Welten schaffen wollten. Raus aus eingefahrenen Denkschemata – aus Gewohnheiten und vermeintlichen Sicherheiten, rein in das Abenteuer Leben: In unseren Betrieben, Wohnvierteln, Familien. Was wäre wenn … Eine naive Illusion? Ganz im Gegenteil. Eine Herausforderung, um die wir ohnehin nicht herumkommen werden. 😉

Business

Internet, Mobiltelefonie, Smartphones. Globalisierung, freier Güterverkehr, gemeinsame Währung. Finanzkrise, Rettungsschirm, Nullzinspolitik. Was uns heute bereits völlig selbstverständlich erscheint und für eine ganze Reihe neuer Branchen überhaupt erst die Geschäftsgrundlage liefert, war vor erstaunlich kurzer Zeit noch völlig anders.

Und es braucht keine ausgeprägten prophetischen Fähigkeiten oder fortgeschrittene Mathematik-Kenntnisse, um sich zumindest eine grobe Vorstellung vom Ausmaß der Veränderungen zu machen, die uns auch in den nächsten 5-10 Jahren erwarten werden.

Wer seine Geschäftsstrategie an betriebswirtschaftlichen Kennzahlen vergangener Zeiten ausrichtet, wird es bestenfalls zu anekdotischer Erwähnung in den Aufzeichnungen jener Unternehmen bringen, die trotzdem überleben.

Wieso also nicht gleich den Wandel wagen?

Den Perspektivenwechsel vom „inside-out“-Denken (Wie kann ich verkaufen, was ich produzieren kann?) zu einem „outside-in“-Denken (Was braucht unsere Gesellschaft, das ich liefern kann?) zum Beispiel, der auf dem YouTube-Kanal der HSGUniStGallen unter dem Stichwort „Nachhaltigkeit 3.0“ vorgeschlagen wird. 9 Minuten, die es in sich haben.

Bindungen

Individualität, Selbstverwirklichung, Unabhängigkeit. Wertewandel, Respekt vor Minderheiten, Willkommenskultur. Die Welt ist zusammengerückt – Vieles ist verfügbarer und näher als noch vor wenigen Jahren. Zumindest für jene von uns mit dem nötigen Kleingeld und dem richtigen Pass.

Mit zunehmender Buntheit und Komplexität steigt bei manchen auch die Sorge um die eigene Identität. Fremdes wird vertrauter – und aus neuer Perspektive betrachtet wird Vertrautes fremd.

Wer seine sozialen Beziehungen in Netzwerke von gestern investiert, deren erstes Interesse das Festhalten an einem längst nicht mehr förderlichen Status quo besteht, betrügt sich – und die Gesellschaft – um eine vor Lebendigkeit sprühende Begeisterung, die möglich wäre, wenn …

Wieso also nicht gleich den Wandel wagen?

Den Perspektivenwechsel von der Absicherung eigener Pfründe, wohlerworbener Rechte und vertrauter Zugehörigkeiten hin zu einem mehr chancenorientierten Miteinander? In dem auch leisere, neuere Stimmen gehört und respektiert werden und zu einem fruchtbareren Miteinander beitragen können?

Persönlichkeit

Es ist schon eine ganze Weile her, als Pfarrer, Bürgermeister und Lehrer – ungegendert, versteht sich – als anerkannte Autoritäten den Ton angaben und Orientierung darüber verschafften, was erwünscht und was weniger erwünscht war.

Ein gesellschaftlicher Konsens darüber wird heute – falls überhaupt – auf dem freien Markt der Meinungen ausgehandelt. Die Verantwortung dafür, wie wir uns als Persönlichkeiten entwickeln, liegt mehr denn je bei jedem und jeder Einzelnen.

Wer die spannende Herausforderung, sich als Persönlichkeit zu entwickeln, nicht annimmt oder sie zurückdelegiert an die Ikonen der Gegenwartskultur läuft Gefahr, sich dabei selbst zu verlieren und das wohl Wertvollste zu verpassen: Das eigene Leben.

Wieso also nicht gleich den Wandel wagen?

Den Perspektivenwechsel vom Opfer der Umstände zum beherzten Schöpfer seiner und zur beherzten Schöpferin ihrer selbst? Über Erfolge und Misserfolge hinweg hin zu einer reifen Persönlichkeit, die an die Stelle vermeintlicher Abhängigkeiten und Bindungen die freiwillige und freimütige Zuwendung und Verbundenheit mit einem Kernanliegen gesetzt hat?

Wer seine Zukunft nicht selbst gestaltet, wird gestaltet. Weshalb also nicht gleich selbst Hand anlegen?

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Leadership – Salz in der Suppe jeder Unternehmung

Leadership. Ein beliebter Themenkreis in Führungstrainings und Einzelcoachings: Tragfähige Ziele finden, den eigenen Weg gehen, die Motivation aufrecht erhalten, wenn das Gelände unwegsam wird – Dazu gibt’s natürlich eine ganze Menge hilfreicher Tipps und Tricks.

Doch einer wesentlichen Frage stellen sich dabei die Wenigsten: Braucht’s tatsächlich mehr davon?

Der leidenschaftliche Unternehmer

Er hat gerade eine neue Mitarbeiterin eingestellt – Blindbewerbung, zur rechten Zeit … wie ihm scheint. Der erwartete (klammheimlich erhoffte) Engpass in der Kundenbetreuung ist damit entschärft.

Wenige Monate später: Auftragsrückgänge, Teamkonflikte, Stehzeiten – das Kleinunternehmen gerät in ernsthafte Schwierigkeiten.

Erst im Nachhinein wird ihm klar, wie unüberlegt er sich zu dieser Personalaufstockung hatte hinreißen lassen.

Die engagierte Lehrerin

Sie plant anlässlich ihres 50ers ein außergewöhnliches Fest für ihre Lieben: Familie, Freundeskreis, Kollegenschaft – selbst ihre Lieblingsklasse soll mit eingebunden sein.

Schon in den Vorbereitungen stößt sie auf erstaunliche Widerstände – die ganze Welt scheint sich gegen ihre Pläne verschworen zu haben.

Gerade noch rechtzeitig wird ihr klar, wie sehr sie ihr soziales Umfeld für ihre Zwecke zu vereinnahmen versucht, lässt von ihren Vorstellungen los … und feiert ein würdiges Fest in deutlich bescheidenerem Rahmen.

Die knallharte Führungskraft

Leadership - Salz in der Suppe jeder Unternehmung

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Sein Engagement wird weit über die eigene Niederlassung hinaus in höchsten Tönen gelobt: Bewundernswert, wie er seinen Verantwortungsbereich trotz allseits bekannter familiärer Sorgen vorantreibt.

Was er selbst zu leisten bereit ist, verlangt er zunehmend auch von seinem Team – das eines Tages den großen Aufstand probt … und es tatsächlich schafft, ihn aus seiner bis dahin unangefochtenen Führungsposition zu beseitigen.

Erst Jahre später wird ihm schmerzlich bewusst, mit welch ungeheurer Kraftanstrengung er über Jahrzehnte an seinem eigenen Ast gesägt hatte.

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Leadership. Braucht’s tatsächlich mehr davon?

Wer es an Engagement mangeln lässt, braucht sich über geschmacklose Ergebnisse nicht wundern. Doch auch versalzene Suppen werden selten gern genossen.

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Genug - mehr als genug

Genug – mehr als genug

Ein Bauer beklagte sich bei seinem Nachbarn, er mache sich große Sorgen vor dem nahenden Winter. Die Ernte sei schlecht ausgefallen, die Scheune reparaturbedürftig und zwei seiner sieben Kinder ernsthaft erkrankt.

Dem Nachbarn – betroffen von dem schweren Schicksal, das diesem armen Bauern offenbar zuteil geworden war – ließ das Gespräch keine Ruhe. Tagelang ging ihm die Not des armen Mannes und seiner Familie durch den Kopf, in der Nacht wachte er immer wieder auf und machte sich so seine Gedanken.

Eines morgens sprach er darüber mit seiner Frau:

„Frau, die Not unseres Nachbarn geht mir nicht aus dem Kopf. Er hatte eine schlechte Ernte, seine Scheune ist reparaturbedürftig und zwei seiner Kinder sind ernsthaft erkrankt. Uns geht es gut, wir waren gesund und fleißig und hatten Glück dieses Jahr. Lass uns ihm in seiner Not beistehen. 

Geh, sammle Kräuter für seine Kinder und bring einen Sack von dem Weizen, den du uns für den Winter zurückgelegt hast. Ich lade inzwischen Werkzeug und Bretter auf meinen Wagen und werde ihm helfen, seine Scheune noch vor dem ersten Schnee zu reparieren.“

Die Frau, ganz einverstanden mit der Großherzigkeit ihres Mannes, machte sich sogleich an die Arbeit. Bereits wenig später war der Wagen gepackt mit allem Notwendigen und die beiden machten sich auf den Weg zum Hof ihres Nachbarn.

Dort angekommen bereitete die Frau mit ihrer Nachbarin heilsamen Tee zu und wickelte die kranken Kinder in warme Tücher, während die beiden Männer das an so mancher Stelle bereits morsche Dach reparierten.

Auf dem Heimweg waren beide müde, aber zufrieden mit dem gelungenen Tagwerk und mit der Hilfe, die sie der in Not geratenen Familie zukommen lassen konnten.

Wenige Tage später trafen sich die beiden Nachbarn wieder auf dem Feld. Abermals klagte der in Not geratene Bauer, er mache sich große Sorgen vor dem herannahenden Winter. Seine warme Winterjacke sei schon ganz zerschlissen, die Stiefel hätten ein Loch und das über den Sommer geschlagene Brennholz werde wohl nur bis Weihnachten reichen.

Wieder ließ es dem hilfsbereiten Nachbarn keine Ruhe. Die Not des armen Bauern ging ihm tagsüber nicht aus dem Kopf und ließ ihn nachts nicht schlafen.

Und wieder wandte er sich an seine Frau und bat:

„Geh, bring deine Lederflecken und das Schusterflickzeug und hole meinen alten Wintermantel. Zur Not wird der genügen. Ich fahre sogleich in den Wald – dort habe ich noch ein paar Festmeter gut gelagertes Brennholz, das ich für schlechte Zeiten beiseite gelegt habe. Ich will es auf den Wagen laden und so soll unserem Nachbarn noch einmal geholfen werden.“

Die Frau, erneut zufrieden mit dem Vorschlag ihres Mannes, ging sogleich und sammelte zusammen, was gebraucht wurde. Ihr Mann aber machte sich damit auf den Weg in den Wald, lud von dem Brennholz dazu und brachte das so dringend Benötigte zu seinem Nachbarn.

Auf dem Heimweg – es war schon dunkel geworden und der erste strenge Herbstfrost hatte dem Weg arg zugesetzt – geriet der Wagen des guten Mannes in einer Kurve ins Rutschen. Er verlor den Halt, viel vom Kutschbock und wurde von seinem eigenen umstürzenden Wagen erschlagen.

Fast zur selben Zeit fand auch der arme Bauer, dem nur wenige Stunden zuvor erneut so unerwartete Hilfe zugekommen war, ein ebenso schlimmes Ende.

In Sorge um die Gesundheit seiner Kinder war dieser in der Dämmerung mit seinen frisch geflickten Stiefeln und dem neuen alten Wintermantel seines Wohltäters hinaus zum wieder randvoll gefüllten Brennholzlager gegangen. Schwer beladen mit prächtigen, Wärme versprechenden Holzscheiten rutschte er auf dem bereits hart gefrorenen Boden aus, schlug mit dem Hinterkopf auf einem Stein auf … und brach sich das Genick.

***

Auf jenem Feld, das sich hinter unseren Gedanken und Vorstellungen von Gut und Böse befindet, trafen sich die beiden Männer wenig später wieder. Sie waren noch etwas verwirrt darüber, was ihnen beiden wiederfahren war und wie neu und ganz andersartig sich plötzlich alles anfühlte. Es war, als könnten sie sich selbst und gegenseitig tiefer ins Herz blicken, als sie sich jetzt gegenüber standen.

„Du“ – sagte der in Not geratene Bauer nach einer Weile – „Du hast deinen Lebtag lang hart gearbeitet, hattest guten Boden, ein freundliches Zuhause und das Glück, dass dir am Ende eines jeden Jahres mehr geblieben war, als du brauchtest. Mir hingegen ist es von allem Anfang an schlecht ergangen. Mein Boden war karg, meine Ernten mager. Mein Heim war stets von Krankheit und Missgunst zersetzt – und selbst in meinem Wald wuchsen die Bäume nur langsam und brachten nichts als knorriges Holz hervor.“

Der hilfsbereite Nachbar schwieg eine lange Zeit, ehe er zu seiner Entgegnung anhob:

„Als ich ein kleiner Junge war“ – begann er – wurde ich von meinem Vater oft geschlagen und von meiner Mutter selten in den Arm genommen. Erst als ich spät den Hof erbte, konnte ich selbst heiraten und eine Familie gründen. Das Leben war auch hart zu mir, nur karg mein täglich Brot. Aber ich gab mich zufrieden mit dem, was ich mit meiner Hände Arbeit erschaffen konnte. 

Kalt war der Ofen oft in harten Winternächten. Wir rückten eng zusammen, um uns gegenseitig zu wärmen und Brennholz zu sparen – selbst wenn die Sorgen des Alltags sich in heftigem Streit entladen hatten. Nicht selten waren die Schüsseln nur mit dünner Mehlsuppe gefüllt oder blieben gänzlich leer, um den Weizen für das nächste Frühjahr aufzusparen. Auf dass es wachse und gedeihe – Frucht bringe, die uns eines Tages gut leben ließe. 

Im Frühjahr machten wir uns jedes Jahr erneut an die Arbeit. Wir pflügten und eggten und düngten die Felder und gaben acht auf die keimende Saat. Selbst in guten Jahren lebten wir genügsam und lernten, auch mit Wenigem Genug zu haben – mehr als genug. 

Auch mein Wald brachte anfangs nur knorriges, schwer zu verarbeitendes Holz hervor. Wir rodeten das Unterholz und entfernten mühsam manchen großen Stein. Wir pflanzten Setzlinge, von denen wir wussten, dass es viele Jahre dauern würde, ehe wir die daraus gewachsenen geraden und starken Bäume fällen und zu Brettern und Brennholz verarbeiten konnten. Wir wussten, dass viele davon erst unseren Kindern und Enkelkindern behagliche Wärme in kalten Winternächten und ein Dach über dem Kopf bescheren würden.

Doch die harte Arbeit machte uns zäh, stark und lebendig. Uns wurde warm davon und – gottlob – blieben uns schwere Krankheiten erspart. Selbst in den späteren, guten Jahren lebten wir bescheiden und lernten, auch mit Wenigem Genug zu haben – mehr als genug.“

Lange schwiegen die beiden Männer. Dann blickten sie sich wissend an und lachten schallend, während sie sich langsam ihrer Form entledigten und in’s Reich der Erinnerungen hinüberglitten.

Auf Erden war zu dieser Zeit ein großes Grummeln zu hören. „Ein Wintergewitter“ – meinten die Einen. „Ein Felssturz in den nahen Bergen“ – vermuteten die Anderen. Und wieder Andere sprachen von Lawinen oder Erdbeben, die sie wahrzunehmen meinten.

Nur die beiden hinterbliebenen Frauen erahnten darin den Abschiedsgruß ihrer Männer … und fanden für einen kurzen Augenblick Einsicht in das große Spiel um die Kunst, Genug zu haben – mehr als genug.

Ohren - Zuhören

Zuhören – 50 Shades of Listening

Zuhören ist der Kleister jeder Zusammenarbeit. Dabei geht es selten nur um das tatsächlich ausgesprochene Wort. Die Fähigkeit des Zuhörens zu vernachlässigen oder gar durch Agitation oder Machtbeziehungen zu ersetzen, ist ein veritables Spiel mit dem Feuer: In Unternehmen und Organisationen. In Gesellschaft und Politik. In Partnerschaften, Familien und Nachbarschaften. In uns selber auch.

Die hohe Kunst des Zuhörens

Zuhören ist eine Fähigkeit, die es sich lohnt, einmal etwas genauer unter die Lupe zu nehmen. Denn Zuhören ist nicht nur für jene knapp 20% Personen mit organbedingter Beeinträchtigung des Hörvermögens keine Selbstverständlichkeit.

Theoretisch läge der hörbare Bereich des menschlichen Ohrs im gesamten Frequenzbereich zwischen 20 und 20.000 Hz. Doch gibt es zweifelsohne auch zwischen diesen Extremwerten Signale, bei deren Ertönen wir scheinbar ohnmächtig eine partielle Taubheit entwickeln.

„Liebling, hast du schon …“ 😉 

Zuhören – Können, wollen und müssen.

Heinz ist Führungskraft bei einem erfolgreichen Mittelständler. Sein Chef, der sich vor ein paar Jahren in das Unternehmen eingekauft und die reichlich angestaubten Vorstellungen des  inzwischen verstorbenen Gründers recht leichtfüßig über Bord geworfen hatte, habe ihm noch nie richtig zugehört – stellt er im Coaching-Gespräch fest. Er überlege sich schon seit Längerem, sich um eine neue Herausforderung umzusehen.

Was meint der Mann eigentlich damit, wenn er von „Zuhören“ spricht … frage ich mich, während er aus seinem Arbeitsalltag berichtet. Etwas später wird klar: Der Chef tut einfach nicht, was Heinz möchte.

So wie Heinz geht es den meisten von uns hie und da: Wir vermischen die Dinge und stolpern in die eine oder andere Falle.

Zuhören 

Zuhören gelingt am Besten mit offenen Ohren und geschlossenem Mund – und zielt darauf ab, das Gegenüber zu verstehen. Was wie ein banaler Allgemeinplatz klingt, wurde von Carl Rogers als Werkzeug der Gesprächspsychotherapie eingeführt und ist unter dem Namen „Aktives Zuhören“ ein beliebtes Standardtool der Coaching-Branche. Dabei stellen wir eigene Gedanken, Empfindungen und Interessen in den Hintergrund und fokussieren uns ganz darauf, unser Gegenüber wirklich wahrzunehmen. Mit all den Zwischentönen, die jeder noch so einfache Satz beinhalten kann.

„Die Ampel ist grün …“ 😉

Das aufrechte Interesse, sein Gegenüber zu verstehen heißt jedoch noch lange nicht, mit dem Verstandenen einverstanden zu sein – somit ist Zuhören auch nur die eine Hälfte eines wechselseitigen Prozesses von Zuhören und Gehört werden.

Als wir die Beziehung zu seinem Chef genauer betrachteten, wurde Heinz klar, wo der Hund begraben lag: Das völlig unvertraute, flotte Veränderungstempo des neuen Chefs hatte ihn ganz einfach in Alarmzustand versetzt. Ein wirklich konstruktives Gespräch war unter diesen Umständen praktisch unmöglich. Dass die Zusammenarbeit dennoch einigermaßen funktionierte, lag wohl an seinem Sachverstand und seiner ausgeprägt besonnenen Art.

Und als Heinz letztlich erkannte, dass er selbst seinem Chef gar nie richtig zugehört und sich stattdessen der inneren Hölle seiner eigenen Ängste und Selbstabwertungen ausgesetzt hatte, war der gordische Knoten gelöst.

Das war die erstaunliche (und nicht so seltene) Geschichte von Heinz.

Zuhören können

Eigene Betroffenheit wie im Fall von Heinz kann also dazu führen, dass wir unser Gegenüber gar nicht wahrnehmen können. Wir vernehmen möglicherweise die Worte. Erfassen – theoretisch – den Sinn des Gesagten. Es ist uns jedoch einfach nicht zugänglich, das damit Gemeinte tatsächlich zu verstehen.

Antonia* ist seit mehreren Jahren leidenschaftliche Bergsteigerin, begeistert von der körperlichen Betätigung an der frischen Luft, dem freien Ausblick über das weite Land und den langen einsamen Stunden, in denen sie ihre beruflichen Herausforderungen als Pressesprecherin einer international tätigen Organisation oft völlig vergisst.

Dass sie dabei von allem Anfang an vorzugsweise anspruchsvolle Routen auswählt, fast ausschließlich alleine und häufig bis in die Nacht unterwegs war, wurde von ihrem alpinerfahrenen Freundeskreis bereits mehrfach kritisiert. Sie spiele mit ihrer Sicherheit, wenn nicht gar mit ihrem Leben. Man dürfe die Berge und die mitunter rasch wechselnden Wetterverhältnisse nicht unterschätzen. Selbstüberschätzung sei die häufigste Ursache für Alpinunfälle. Verantwortungsloses Verhalten bringe nicht nur die Bergsportler selbst, sondern auch die Rettungsmannschaften in Gefahr, die im Extremfall ausrücken müssten …

Anfangs genoss Antonia die Aufmerksamkeit, die sie durch ihr extravagantes Verhalten bekam. Später wurde sie ihr lästig. Natürlich hörte und erfasste sie den Sinn dieser Warnungen. Wirklich verstanden hatte sie erst nach einer durchwachten Nacht in einer unübersichtlichen Steilwand, in der sie zur Unzeit von dichtem Nebel überrascht worden war.

Wirkliches Zuhören auf die Erfahrungen Anderer bekam für Sie nach diesem glimpflich überstandenen Erlebnis eine völlig neue Bedeutung.

Zuhören wollen

Nicht Zuhören können, weil wir zu sehr mit uns selbst beschäftigt sind. Zuhören ohne wirkliches Verstehen. Und was, wenn wir gar nicht Zuhören wollen?

Fritz* hat vor Kurzem seine erste Führungsrolle übernommen. Kleines, stabiles Team, überschaubarer Aufgabenbereich. Fachlich ist er hervorragend qualifiziert, die meisten seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kennt er schon ein paar Jahre. Von seiner Vorgängerin hatte er keine allzu große Meinung, er betrachtete sie als „Leisetreterin“ und wollte durch ein paar schwungvolle Veränderungen endlich etwas Elan in’s Team bringen.

Nachdem sich gleich mehrere Teammitglieder kritisch zu den anstehenden Veränderungen geäußert hatten  wurde es ihm ein wenig mulmig zumute. Man hatte ihm trotz seiner geringen Führungserfahrung relativ großen Gestaltungsspielraum zugesagt und den wollte er zu seinem Vorteil nutzen.

Nach ein paar durchwachten Nächten entschloss er sich, den Argumenten der Bedenkenträger keine Beachtung mehr zu schenken und „sein Ding“ durchzuziehen. Zwei Kündigungen und ein heftiger, lautstarker Konflikt, gefolgt von mehreren Wochen Eiszeit waren die Folge. Letztlich dauerte es Monate, bis sich die ausgelösten Turbulenzen wieder einigermaßen gelegt hatten und das Team ein neues Gleichgewicht fand. So Manches lief jetzt anders als früher. Fritz hatte seine Vorstellungen umgesetzt und erzielte mit seinem Team deutlich bessere Ergebnisse.

Es gibt Situationen, in denen wir uns bewusst für’s nicht Zuhören entscheiden und damit einseitige Maßnahmen setzen. Doch auch das hat seinen Preis – unabhängig vom Ergebnis einer solchen Entscheidung.

Zuhören müssen

Schön, wenn wir es uns aussuchen können, ob wir Zuhören oder nicht. Doch nicht immer sind wir in der Situation, darüber freiwillig und eigenständig zu entscheiden.

Ingrid* ist Marktleiterin in einem Handelsunternehmen. Seit längerem steht die Branche ziemlich unter Druck, gerade an ihrem Standort sind die Umsätze dramatisch zurückgegangen. Klar: Es gab einige plausible Gründe dafür, aber letztlich kamen auch interne Probleme zum Vorschein, die jetzt endlich saniert werden sollten … so die Geschäftsführerin. Da sei dieser eine Trainer, den die Geschäftsführerin schon mehrfach empfohlen bekommen hatte. Ingrid solle ihn einladen und das Problem endlich an der Wurzel packen.

Ingrid kam nicht darum herum, sich mit dem Trainer zu unterhalten. Letztlich engagierte sie ihn auch und erzählte erst viel später von ihrer Sorge, dass sie unter den Kollegen als Verliererin dastehen würde, wenn sie „es nicht alleine schaffe“.

Zuhören kann auch dann erstaunliche Früchte bringen, wenn wir es anfangs gar nicht freiwillig tun. 😉

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